Haushaltsrede 09.12.2021
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bittner, sehr geehrte Damen und Herren in der Verwaltung, liebe Kolleg*innen!
Der Haushalt ist die Grundlage allen Handelns in der Stadt – ohne ihn geht nichts. Entsprechend groß ist seine Bedeutung für Verwaltung und Politik und entsprechend verantwortungsvoll ist die Arbeit der Kämmerei. Wir möchten allem voran Peter Bannes und Rainer Schäferhoff sowie allen Mitarbeitenden in der Kämmerei für ihre wichtige Arbeit ganz herzlich danken. Ebenso gilt unser Dank allen Fachbereichen und der Gleichstellungsbeauftragten, mit denen wir in den letzten Wochen intensiv gesprochen haben und die mit viel Geduld und Expertise die meisten unserer Fragen beantworten konnten.
Wir diskutieren heute unseren ersten Doppelhaushalt außerhalb der Stärkungspaktes – aber: die ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie haben in den letzten zwei Jahren so tiefe Löcher in den Haushalt gerissen, dass es sich anfühlt, als wären wir noch mittendrin.
Inzwischen haben wir Mindereinnahmen bzw. Kosten von gut einem Viertel des gesamten Haushaltsvolumens angesammelt, die unseren Handlungsspielraum weiter einengen – und das auch auf absehbare Zeit.
„Krise“ scheint – und damit meine ich nicht nur die pandemische Lage – der neue Normal-Modus zu sein. Denn neben der Corona Krise ist die Klimakrise diejenige, die – inzwischen an unseren Wäldern auch weithin erkennbar – aktives, strategisches, konsequentes und im Falle der leeren Haushaltskasse auch kreatives Handeln erzwingt. In der Krise zeigt sich Führungsstärke, nicht im ruhigen Fahrwasser des Alltagsgeschäfts.
Von all dem erkennen wir im Haushaltsentwurf des Bürgermeisters viel zu wenig! Wo genau findet sich denn Ihr Mantra vom smarten und nachhaltigen Arnsberg wieder?
Die 20er Jahre sind entscheidend für den Kampf gegen die Klimakrise. Die EU geht mit dem EU Green Deal und dem Programm „Fit for 55“ voran. Das Bundesverfassungsgericht hat im April dieses Jahres ganz klar gemacht, dass wir uns deutlich mehr im Klimaschutz anstrengen müssen, um den völkerrechtlich bindenden Beschluss des Pariser Klimaschutzabkommens zu erfüllen. Im Bund, aber eben auch auf allen anderen Ebenen. Das ist eine globale Verantwortung UND eine lokale Verpflichtung. Es gibt einen Rechtsanspruch auf Klimaschutz, den auch der Bürgermeister und die Verwaltung erfüllen müssen.
Auf unsere schwarz-grüne Initiative hin haben wir uns über nahezu alle Parteigrenzen hinweg das gemeinsame Ziel gesetzt, unsere Stadt bis 2030 klimaneutral umzugestalten.
Weil wir alle, die wir hier sitzen (ggf. mit zwei Ausnahmen) anerkennen, dass der Klimawandel Arnsbergs Stadtzentren aufheizt, den Stadtwald austrocknet und die Ruhr, die Röhr und die Möhne über die Ufer treten lässt, dürfen wir es nicht beim Ankündigen belassen! Sondern müssen ins Handeln kommen!
So sind in ihrem Entwurf, sehr geehrter Herr Bürgermeister, 31,7 Millionen Euro für den Klimaschutz eingeplant. Ein dickes blaues Kuchenstück in ihrem Haushaltsdiagramm bei der Einbringungsrede. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt es sich eher als ein dunkelgraues Kuchenstück: 2/3 davon eingeplant sind für eine Rathaussanierung, die das erste Haus der Stadt noch nicht einmal zu einem Plusenergiehaus macht, und für einen Busbahnhof, der für sich erst eimal kein Gramm CO2 einspart, darür aber große Flächen versiegelt ( versiegeln lässt).
Beton und Asphalt für den Klimaschutz? Das wird nicht funktionieren. So wird das Ziel der Klimaneutralität 2030 nicht zu erreichen sein!
Die CO2-Bilanz der Stadt, die wir so hartnäckig einfordern mussten, muss die Grundlage unserer Klimaschutzbemühungen in Arnsberg sein. Für uns ist sie Leitlinie unserer GRÜNEN und schwarz-grünen Haushaltsanträge und sie bildet die strategische Grundlage dafür, mehr Energie einzusparen und mehr regenerative Energie zu erzeugen, als von Ihnen geplant.
Die drei Sektoren mit den meisten Emissionen sind Energieerzeugung, Verkehr und Gebäude.
In diesen Bereichen finden Sie zentrale Anträge von uns zum Haushalt und wir freuen uns sehr über die positiven Signale aus der Verwaltung, diese auch aufzunehmen:
Wenn wir nicht endlich flächendeckend in die Erzeugung regenerativer Energie einsteigen, wird uns die Energiewende hier in Arnsberg nicht gelingen. Unzählige Dächer in der Stadt warten darauf, genutzt zu werden. Das ist nicht nur gut fürs Klima – wir können auch echtes Geld sparen, wenn wir unsere Energie selbst erzeugen. Und weiter wird damit auch die soziale Frage der steigenden Energiepreise aus fossilen Energieträgern adressiert. Fangen wir endlich, nach Jahren der Prüfung, mit den kommunalen Dachflächen an und erleichtern wir Hauseigentümer*innen und Mieter*innen die Erzeugung von Solarenergie!
Machen wir Arnsbergs Dächer blau!
Agri-PV ist aus unserer Sicht eine gute Ergänzung dieser Strategie, um Flächen zur Energieerzeugung zu generieren, ohne landwirtschaftliche Nutzfläche zu verlieren. Hier können wir Leuchtturmprojekte starten und Erfahrungen gewinnen.
Weiter im Bereich Verkehr: Wir stärken den innerstädtischen Radverkehr, damit das Auto für die kurzen Strecken häufiger stehen gelassen wird. Dafür muss das beschlossene Radverkehrskonzept endlich erstellt und in eine moderne Verkehrsplanung integriert werden. Diese schafft mehr Platz für den Radverkehr und damit auch für mehr Lastenräder in der Stadt. Die äußerste Beliebtheit der ALFs veranlasst uns dazu, zwei zusätzliche durch die Verwaltung anschaffen zu lassen und an interessierte Bürger*innen im ganzen Stadtgebiet zu verleihen. Nur wenn die Bürger*innen die Alternativen kennen und schätzen lernen, können wir die Mobilitätswende hier in Arnsberg gestalten. Wer smart und nachhaltig sein will, muss sich gerade im Bereich Verkehr aufmachen, intelligente und kreative Konzepte zu entwickeln. Als Anstoß dafür sollen unsere Anträge dienen, den E-Fuhrpark der Stadt an den Wochenenden für das Car-Sharing zu öffnen und die Attraktivitätssteigerung des ÖPNV durch einen kostenlosen Samstag zu prüfen. Durch diese Maßnahme konnte Tübingen z.B. 10.000 zusätzliche Fahrgäste pro Tag aus ihren Autos in die Busse locken.
Der Gebäudesektor ist in der Energiewende ebenso entscheidend. Der Anteil am Gesamtenergieverbrauch der Stadt liegt bei 25% für die kommunalen Gebäude, die Treibhausgasemissionen betragen aber 35% der Gesamtsumme. Die beste Energie ist jedoch diejenige, die wir nicht verbrauchen. Anstrengungen, den kommunalen Energieverbrauch zu senken, sind für uns aber kaum erkennbar. Da müssen wir als Kommune deutlich besser werden. Das EU Programm „Fit for 55“ fordert von den Kommunen eine jährliche energetische Sanierungsquote der kommunalen Liegenschaften. Das bedeutet, wir müssen ohnehin an dieses Thema. Mit unserem Antrag machen wir mehr Druck, dass unser kommunaler Energieverbrauch sinkt.
Wo neue Gebäude geplant und gebaut werden müssen, fordern wir eine Planung mit Augenmaß und unter Einbeziehung von Synergie-Effekten. Dass die Grimmeschule umziehen muss, ist seit Jahren völlig klar. Wir hätten sie aus Klimaschutzgründen am liebsten in einem Bestandsgebäude gesehen, wie es ganz ursprünglich auch einmal geplant war. Wir anerkennen aber auch die Probleme, die sich daraus ergeben im Bezug auf Gebäude-Ertüchtigung und das gewünschte Lernkonzept. Im Gegensatz zur Verwaltung sehen wir den besten Standort für die Schule jedoch am Berliner Platz. Die Grimmeschule an diesem Standort profitiert von einer idealen Verkehrsinfrastruktur, sie vervollständigt die bestehenden Schulen und komplettiert so einen weiteren Bildungs-Campus im Arnsberger Stadtgebiet. Die ergänzende Energieversorgung für das möglichst energieeffizient zu planende Gebäude kann dort idealerweise über das bereits bestehende Holzhackschnitzelkraftwerk gewährleistet werden.
Wo wir allerdings nicht sparen wollen, das sind unsere Dörfer. Arnsberg ist eine vielfältige Kommune aus Dörfern und Stadtzentren. Die Topographie unserer Stadt sorgt allerdings dafür, dass unsere Dörfer zuweilen aus dem Blick geraten können. Für die Dörfer bedeutet das einen fortwährenden Kampf für den Erhalt der dort bestehenden Infrastruktur. Wenn die privatwirtschaftliche Infrastruktur auf den Dörfern abgebaut wird – wenn also Bankautomaten verschwunden sind, weil sich der Aufwand für sie kaum lohnt oder Geschäfte aufgegeben werden müssen, weil deren Ertrag nicht mehr zum Leben reicht, ist die Kommune in einer besonderen Verantwortung. Die dezentralen Wasserflächen, die Lehrschwimmbecken in Herdringen und Voßwinkel sind kommunale Infrastruktur, die wir erhalten werden – genau wie vom Masterplan Sport empfohlen. Schwimmkurse, Wassergymnastik, Rehasportangebote in den Becken für Jung und Alt sind das eine. Sie sind darüber hinaus aber auch soziale Orte, Stätten der Begegnung, die unsere Dörfer lebendig machen und die es deswegen zu erhalten gilt. Wir geben sie nicht einfach her, wie das in der Vergangenheit passiert ist, denn starke, lebendige Dörfer stärken auch den Zusammenhalt in der Stadt. Geschwächte Ränder tun das nicht.
Überlegungen zu einer Ausweitung der Wasserflächen, insbesondere für den Vereinssport stehen wir grundsätzlich natürlich auch weiterhin offen gegenüber. Diese können akut aber wegen der angespannten Haushaltslage kein Thema sein.
Unsere Vision für unsere Stadt ist ein von gesellschaftlichem Zusammenhalt zwischen Kernstädten und Dörfern geprägtes, klimaneutrales Arnsberg mit intakter Natur.
Unser Arnsberger Wald ist Aushängeschild der Stadt und hat in den letzten Jahren unter Hitze und Trockenheit stark gelitten. 2023 wird voraussichtlich die letzte Fichte im Arnsberger Wald dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen sein und wir stehen vor der großen Frage: Wie gehen wir mit diesem immensen Schaden für Natur und Mensch um? Auch hier stecken wir mehr Energie und mehr Geld hinein, damit der Arnsberger Wald der Zukunft ein starker Wasser- und CO2-Speicher bleibt, ein Lebensraum mit Naherholungsfunktion, ein Luftfilter und Klimaregulator für unsere Stadt. Wir fördern die Entwicklung der alten Fichtenflächen, stärken die Bodengesundheit und schaffen Kapazitäten zur Naturverjüngung, Wiederbewaldung und Aufforstung. Das ist uns ein besonderes Anliegen.
Ein letzter Hinweis noch zum Stellenplan. Personalausgaben sind wichtig, um die Geschäfte in der Stadt am Laufen zu halten. Für einen funktionierenden Haushalt sind diese laufenden Kosten aber auch tückisch und müssen gut begründet sein. Im Bereich Sicherheit und Ordnung sind wir daher kritisch, in anderen Bereichen können wir aber mitgehen: So haben Sie im vergangenen Haupt- und Finanzausschuss gesagt, das erhöhte Stellenvolumen – insbesondere im Fachbereich 4 – diene dem Abbau der überbordenden Ermächtigungsübertragungen. Wir setzen mit unserer Zustimmung zum Stellenplan darauf, dass mit dem geplanten Personal tatsächlich die unzähligen kleinen Projekte und Beschlüsse, die wir zum Teil seit Jahren schon von einem Haushalt in den nächsten schieben, zeitnah abgeschlossen werden und hoffen, dass wir danach auch noch genug Arbeit für die vielen neuen Mitarbeiter*innen haben werden.
Wir von Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben viel Energie in die Beratung des Haushaltsplanentwurfs der Verwaltung gesteckt und sind der Überzeugung, ihn mit unseren teils gemeinsamen Anträgen mit der CDU an vielen Stellen im Sinne der Stadt und ihrer Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele verbessert zu haben. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung zur Umsetzung, damit aus diesem Haushaltsplanentwurf ein Haushaltsplan wird, der Arnsberg wirklich auf den Weg der Klimaneutralität bringt.
Haushaltsrede 22 23 B90 Die Grünen (00000002)
Jan Ovelgönne
Co Sprecher der Fraktion für Bündnis 90/DIE GRÜNEN
im Rat der Stadt Arnsberg